Die Begegnung zwischen den Frauen Maria und Elisabeth ist ein sehr herzliches und freundliches Zusammentreffen.
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Diese Begegnung atmet den Geist von Freude, Zuneigung und Entgegenkommen.
Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir einen ersten Impuls von dieser Begegnung für unser Leben mitnehmen dürfen, dann vielleicht den, dass die Begegnungen in unserem Alltag auch diese Offenheit und Freundlichkeit, dieses Entgegenkommen und diese Zuneigung atmen sollen.
Es ist eine Anregung, sich so wie Maria auf den Weg zu machen, sich – so wie Elisabeth und Maria sich aufeinander zuzubewegen – irgendwo auch einmal wieder einen Besuch zu machen, einem Mitmenschen Hilfe und Unterstützung anzubieten.
Wo dieses „einander zu Hilfe eilen“ so gelebt wird, egal ob durch Frauen oder durch Männer, geben Menschen einander Halt, Geborgenheit, Vertrauen, Zuversicht, Stärke.
Es ergeben sich bewegende Momente und Erfahrungen. In diesen Momenten ist spürbar, dass Gottes heiliger Geist die Welt durchdringt. Deshalb sind sie berührend. Wir spüren in ihnen, dass es Gottes Geist ist, der die Menschen so warmherzig in ihrem Handeln macht.
Denn dies ist in der Erzählung von Maria und Elisabeth deutlich herauszuhören:
Mit Maria ist dieser noch winzige Jesus unterwegs – aber aus diesem winzigen Jesus entsteht etwas Großes; etwas Großartiges.
Und wenn wir uns auf den Weg machen, um jemanden zu besuchen, um jemandem Hilfe anzubieten, dann ist etwas von Jesus mit uns unterwegs und dabei. Und womöglich hüpft etwas vor Freude im anderen.
Genau von diesem herzlichen Geist geprägt sind sehr oft auch die Begegnungen, wie sie – zum weit überwiegenden Teil von Frauen- in tausenden von Stunden jährlich im Ehrenamt gestiftet werden. So sollen und dürfen Frauen in unserer Kirche sein; und es ist auch gut so, und wichtig, dass dies gelebt wird.
Aus dem Evangelium erwächst uns aber noch ein zweiter Impuls:
Diese Begegnung der zwei Frauen wird vom Evangelist Lukas als Höhepunkt bildreicher Geschichten erzählt, die uns auch für die Zukunft Mut geben können und gleichzeitig die Verfasstheit unserer Kirche in Frage stellt:
Ich lade Sie ein, im Laufe dieser Woche einmal das erste Kapitel des Lukasevangeliums am Stück zu lesen. Es ist nicht so viel, wie es sich anhört: Aber, wie ich finde, gerade auf dem Hintergrund dieser Protestwoche „Maria 2.0“ sehr aufschlussreich.
Dieses 1. Kapitel ist ein raffiniert geschriebenes, literarisches Meisterwerk.
Lukas lebte ja in einer Zeit an der Schnittstelle zwischen Judentum und Christentum. Damit verbunden war das Ringen um die richtige Ausrichtung des Glaubens. Das Evangelium des Lukas kleidet diesen „religiösen Kulturenkampf“ nun in eine wunderbare Bildsprache, die er in zwei Erzählfäden entwickelt und durch die Begegnung Maria und Elisabeth miteinander verbindet.
Die zwei Erzählfäden verlaufen teils parallel und doch beschreiben sie Gegensätze.
In beiden Fällen erscheint der Engel Gabriel einer Person und kündigt die besondere Geburt eines Sohnes an, das „groß sein wird vor dem Herrn“.
Doch die beiden Personen sind so unterschiedlich, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.
Der erste Erzählstrang:
Zunächst erscheint der Engel Gabriel dem altehrwürdigen, theologisch und liturgisch gebildetem Priester Zacharias, der im Moment der Erscheinung gerade im Tempel das Rauchopfer zelebriert.
Der Priester bezweifelt die Botschaft des Engels; will sogar ein Zeichen dafür, dass sie wahr ist – ab diesem Moment wird er stumm; er kann den Menschen nichts mehr verkünden von seinem Glauben an die Wunder Gottes. Leider ist die Verkündigung dieses Textes in der Leseordnung der Sonntage nicht vorgesehen; man könnte fast meinen, dieser Text wurde bewusst unterschlagen. Dabei enthält er doch neben der sicherlich augenfälligen kritischen Warnung an Kleriker und inhaltsleeres rituelles Tun auch die wirklich Frohe Botschaft, dass sich gerade durch Veränderungen in tradierten Werten die Sprachfähigkeit des Gottesglaubens erhält.
Trotzdem wird in unserer Kirche an tradierten, überkommenen Formen festgehalten.
Und das, obwohl doch Zacharias genau in dem Augenblick wieder sprechen kann, in dem er seine Zustimmung erteilt, seinem So Sohn nicht den Namen seines Vaters und Großvaters zu geben, wie es die Tradition vorsieht, sondern ihm den Namen Johannes zu geben, was übersetzt heißt, Gott ist gnädig.
Durch die Veränderung der Tradition also, wird er wieder sprachfähig und kann den Gottesglauben weiterhin aktiv verkünden.
Aber ob mit oder ohne Einwilligung des Zacharias: Gottes Wille verwirklicht sich, denn Johannes kommt ins Leben.
Ganz anders im zweiten Erzählstrang, in dem Maria die Angesprochene ist:
Sie ist jung, gesellschaftlich unbedeutend, theologisch nicht gebildet: Und mitten in ihrem Alltag trifft sie die Verkündigung des Engels, in die sie ohne größeres Nachfragen, ohne viel Umstände zu machen, glaubend einwilligt.
In Zacharias und seinem Umfeld ist das traditionsgebundene Judentum verkörpert, das sich an althergebrachtes, an rituelle Gesetze und Vorschriften hält. Maria symbolisiert das jung – aufstrebende, dynamisch-charismatisch wirkende Christentum.
Wie schön, dass sich beides in der Begegnung von Maria und Elisabeth gegenseitig umarmt, wertschätzt, unterstützt und weiterträgt.
Daher ist auch das ein Impuls aus dem Evangelium rund um die Personen Elisabeth, Zacharias und Maria:
Sich auf den Weg machen und nicht starr stehen bleiben;
In Bewegung bleiben, damit das Evangelium die Menschen weiter bewegt und es auch heute noch zur Hilfe und Freude wird;
Gerade die Veränderung der Tradition macht, dass Stärke und Ausdrucksfähigkeit bleiben.
Trotzdem dürfen wir in unserem eigenen innerreligiösen Kulturenkampf, im Suchen nach dem „richtigen Weg“ für das Christentum der Zukunft darauf vertrauen, dass wir weder die Tradition besonders hoch halten, noch bekämpfen müssen; wir müssen nicht Modernes besonders vorantreiben oder stoppen – wir dürfen in einem „katholisch-allumfassenden Sinn“ beides Leben.
Und darauf vertrauen, dass Gottes Wirken so oder so dynamisch in unsere Welt kommt.
Mit einem großen Lobpreis ruft Maria aus, wie diese dynamische Kraft des Geistes Gottes die damalige religiöse Welt erneuert.
Wir beten nun dies als Lobpreis -denn Vieles ist bereits gut; und gleichzeitig beten wir es als Fürbittgebet für die Kirche, im Vertrauen darauf, dass Gott auch heute verkrustete Strukturen aufbricht.
Meine Seele preist die Größe des Herrn …
Gemeindereferentin Margarete Lobenhofer